8.6 Portefeuille-Versicherung
(Portfolio Insurance)
Als Beispiel für ein aktives Management mit Optionen soll
nun die Portefeuille-Versicherung (Portfolio Insurance) betrachtet werden.
Als Portfolio Insurance bezeichnet man den Abschluß von Geschäften,
welche die Risikostruktur eines Portfolios so verändern, daß zu einem
im vorausbestimmten Termin
- - die positiven Erträge
durchgehend um einen kleinen Betrag gemindert werden (was als Zahlung einer
Versicherungsprämie interpretiert werden kann) und
- - ein Absinken des Portfoliowerts
unter ein bestimmtes Niveau (floor) verhindert wird
.
Geben wir hierfür zunächst ein einfaches Beispiel.
Ein Kapitalbetrag von 105 DM, soll in eine Aktie, mit dem aktuellen Kurs 1 DM
investiert werden. Wir betrachten hierzu zwei Alternativen.
- Portfolio A:
- Kauf von 105 Aktien.
- Portfolio B:
- Kauf von 100 Aktien
und 100 Verkaufsoptionen mit dem Ausübungskurs K=1, einer Laufzeit
von einem Jahr und dem Gesamtpreis
von 5 DM.
Der Preis der Verkaufsoptionen stellt in diesem Fall die Versicherungsprämie
für die Aktien auf einen Versicherungsbetrag von 100 DM dar.
Der Wert des Portfolios beträgt nach genau einem Jahr
mindestens 100 DM, da Verluste im Aktienkurs durch die gekauften Puts gerade
ausgeglichen werden. Steigen die Aktien über 1 DM, verfallen die Puts wertlos.
Durch die gezahlte Versicherungsprämie werden alle Gewinnwahrscheinlichkeiten
mäßig reduziert, und die Wahrscheinlichkeit kleiner Verluste wird
stark erhöht, wofür die Wahrscheinlichkeit größerer Verluste
auf Null sinkt. Die folgende Tabelle zeigt die Wert- und Renditeentwicklung
der beiden Portfolios in Abhängigkeit vom Aktienkurs St*
in einem Jahr.
|
Unversichertes |
Versichertes |
Versichertes |
|
Portfolio |
Portfolio |
Portfolio in % |
Aktienkurs St* |
Wert |
Rendite |
Wert |
Rendite |
des unversicher- |
[DM] |
[DM] |
% p.a. |
[DM] |
% p.a. |
ten Portfolios |
0,50 |
52,5 |
-50 |
100 |
-4,8 |
190 |
0,60 |
63,0 |
-40 |
100 |
-4,8 |
159 |
0,70 |
73,5 |
-30 |
100 |
-4,8 |
136 |
0,80 |
84,0 |
-20 |
100 |
-4,8 |
119 |
0,90 |
94,5 |
-10 |
100 |
-4,8 |
106 |
1,00 |
105,0 |
0 |
100 |
-4,8 |
95 |
1,10 |
115,5 |
+10 |
110 |
+4,8 |
95 |
1,20 |
126,0 |
+20 |
120 |
+14,3 |
95 |
1,30 |
136,5 |
+30 |
130 |
+23,8 |
95 |
1,40 |
147,0 |
+40 |
140 |
+33,3 |
95 |
Die Vielzahl möglicher Strategien im Bereich der
Portfolio Insurance läßt sich nach der Häufigkeit der zur Versicherung
notwendigen Anpassungsmaßnahmen unterteilen in
- - statische Strategien,
bei denen nach Bildung des Ausgangsportfolios höchstens eine weitere
Umschichtung erfolgt
- - dynamische Strategien,
bei denen im Idealfall kontinuierliche Anpassungen nach einer im Voraus festgelegten
Regel erfolgen.
Die zu Beginn geschilderte statische Strategie läßt
sich auf zwei äquivalente Arten durchführen
:
- Strategie 1:
- Der Anleger kauft Aktien und Verkaufsoptionen in
passender Zahl.
- Strategie 2:
- Der Anleger kauft
Anleihen im Nominalwert des gewünschten floor F und
für den Rest des Geldes Kaufoptionen mit Ausübungskurs F
auf das Objekt.
Alle verfolgten Strategien beruhen auf einer Abwandlung dieser
beiden Grundstrategien und erweisen sich als konsequente Anwendung der Put-Call-Parität.
Vor der Inangriffnahme einer Portefeuille-Versicherung müssen
folgende Fragen geklärt werden:
- 1.
- Welche Finanzinstrumente stehen zur Verfügung (hierzu
gehören vor allem die Informationen über Zinssätze, Volatilitäten,
Korrelation zum Index u.ä. )?
- 2.
- Welche Vorstellungen hat der Anleger bezüglich
- - des Aufbaus des Portfolios
(gewünschte Finanztitel)
- - des zur Verfügung
stehenden Kapitals
- - des gewünschten
zeitlichen Absicherungshorizonts
- - des gewünschten
minimalen Portfoliowerts (floor) bzw. der gewünschten Minimalrendite
(bzw. des in Kauf genommenen Maximalverlusts) nach Ablauf der Versicherungszeit.
Stellvertretend für den Bereich der Portfolio Insurance
wollen wir die oben beschriebenen Strategien 1 und 2 anhand eines Beispiels erläutern.
Dabei gehen wir davon aus, daß das Objekt, in das investiert werden soll
(o.B.d.A eine Aktie), vom Anleger vorher bestimmt worden ist. Je nach Ertrag
unterscheiden wir zwei Fälle:
- Fall i)
- eine stetige Ertragsrendite d
- Fall ii)
- im voraus bekannte Erträge mit dem Barwert D0
Die Daten des Beispiels:
Aktueller Zeitpunkt t = 0
Verfügbares Kapital V = 100.000 DM
Gewünschter floor F = 95.000 DM
Anlagehorizont T = 2 Jahre
Aktueller Aktienkurs S0 = 100 DM
stetiger Jahreszinssatz i = 10% p.a.
Jahresvolatilität
der Aktie = 30%
Dividenden während der Laufzeit
i) eine stetige Dividendenrendite d = 2% p.a.
ii) Dividenden im Barwert D0 = 5 DM
In beiden Fällen stehen wir vor dem Problem, die Anzahl
n der Aktien, der (europäischen) Puts und den Ausübungskurs
K der Puts zu bestimmen.
Fall i)
Die Aktie liefert eine stetige Dividendenrendite d = 2% p.a., die wir
automatisch wieder in die Aktie investieren, so daß aus n Aktien
nach T Jahren
Aktien geworden sind und wir daher zu Beginn entsprechend viele Puts kaufen
müssen. Da zum Investitionszeitpunkt der Wert des Portfolios genau V
ist liefert dies zunächst die Gleichung
 |
(1) |
Der Ausübungskurs K der Puts ist so zu bestimmen,
daß der gewünschte floor nach zwei Jahren garantiert ist. Dies bedeutet,
daß zum Zeitpunkt T bei einem Aktienkurs ST = K,
zu dem der Putwert gerade 0 ist, der Wert des Portfolios genau den floor ergibt.
Dies liefert die zweite Gleichung
 |
(2) |
Setzt man Gleichung (2) in Gleichung
(1) ein, erhält man
 |
(3) |
Mit der noch herzuleitenden BLACK/SCHOLES-Formel für europäische
Optionen kann nun der gesuchte Ausübungskurs K aus Gleichung (3)
numerisch berechnet werden, etwa mit dem Newtonverfahren. Man erhält in diesem
Fall den Wert K= 99,58.
Um den floor von 95.000 DM sicher zu erreichen, sind hier
Aktien und
Puts mit dem Ausübungskurs K=99,58 zu kaufen
.
Für die entsprechende Strategie mit Anleihen und Calls
werden
DM festverzinslich angelegt und außerdem 954 Calls mit Ausübungskurs
K=99,58 im Wert von 23,28 DM/Call gekauft. Die Äquivalenzder beiden
Strategien folgt aus der Put-Call-Parität für europäische Optionen:
 |
(4) |
Die Wirkung der Versicherung läßt sich in der folgenden
Tabelle ablesen:
|
Unversichertes |
Versichertes |
Versichertes |
|
Portfolio |
Portfolio |
Portfolio in % |
Aktienkurs St* |
Wert |
Rendite |
Wert |
Rendite |
des unversicher- |
[DM] |
[DM] |
% p.a. |
[DM] |
% p.a. |
ten Portfolios |
70 |
72.857 |
-27,1 |
95.000 |
-5,0 |
130 |
80 |
83.265 |
-16,7 |
95.000 |
-5,0 |
114 |
90 |
93.673 |
-6,3 |
95.000 |
-5,0 |
101 |
100 |
104.081 |
+4,1 |
95.400 |
-4,6 |
92 |
110 |
114.489 |
+14,5 |
104.940 |
+4,9 |
92 |
120 |
124.897 |
+24,9 |
114.480 |
+14,5 |
92 |
130 |
135.305 |
+35,3 |
124.020 |
+24,0 |
92 |
140 |
145.714 |
+45,7 |
133.560 |
+34,6 |
92 |
Fall ii)
Während der Laufzeit fallen Dividenden mit Barwert D0=5
DM an. Wir legen diese festverzinslich an und erhalten zum Zeitpunkt T
die Dividende
DM.
Der Kauf von n Aktien und n Puts führt dann unter Berücksichtigung
der Dividende DT analog zu den Überlegungen in Fall i)
auf die Gleichungen
 |
(5) |
und
 |
(6) |
Setzt man Gleichung (6) in Gleichung
(5) ein, erhält man
 |
(7) |
Analog zum Fall i) bestimmt man die relevanten Größen.
Man erhält
Für die Strategie mit Calls und Anleihen kaufen wir 926,55 Calls mit einem
Wert von 23,99 DM/Call und einem Ausübungskurs von K=96,42 und legen
DM festverzinslich an.
Die Wirkung der Versicherung im Fall ii) läßt sich
in der folgenden Tabelle ablesen, wobei die Dividenden zum Zeitpunkt T
zu berücksichtigen sind.
|
Unversichertes |
Versichertes |
Versichertes |
|
Portfolio |
Portfolio |
Portfolio in % |
Aktienkurs St* |
Wert |
Rendite |
Wert |
Rendite |
des unversicher- |
[DM] |
[DM] |
% p.a. |
[DM] |
% p.a. |
ten Portfolios |
70 |
76.107 |
-23,9 |
94.996 |
-5,0 |
125 |
80 |
86.107 |
-13,9 |
94.996 |
-5,0 |
110 |
90 |
96.107 |
-3,9 |
94.996 |
-5,0 |
99 |
96,42 |
102.527 |
+2,5 |
94.996 |
-5,0 |
93 |
100 |
106.107 |
+6,1 |
98.313 |
-1,7 |
93 |
110 |
116.107 |
+16,1 |
107.579 |
+7,6 |
93 |
120 |
126.107 |
+26,1 |
116.844 |
+16,8 |
93 |
130 |
136.107 |
+36,1 |
126.110 |
+26,1 |
93 |
140 |
146.107 |
+46,1 |
135.375 |
+35,4 |
93 |
Neben der prinzipiellen Vorgehensweise zeigt das Beispiel
die praktischen Schwierigkeiten, die bei der Portfolio Insurance auftreten:
- -
- Die Anzahl der benötigten Aktien und Optionen läßt
sich nur bei großen Portefeuilles ohne großen prozentualen Fehler
realisieren.
- -
- Es ist im allgemeinen nicht zu erwarten, daß der
erforderliche Put bzw. Call zur Verfügung steht, weil
- a)
- bei Laufzeiten von mehr als einem Jahr kaum Optionen
zu Verfügung stehen,
- b)
- Puts oder Calls mit dem berechneten Ausübungskurs
i.a. nicht zur Verfügung stehen,
- c)
- die meisten gehandelten Optionen vom amerikanischen
Typ und damit teurer als erforderlich sind
.
Gerade die letzte Schwierigkeit, daß die gewünschte
Option nicht gehandelt wird, legt es nahe, sie mit dem in Kapitel
beschriebenen Delta-Hedge-Prozeß zu erzeugen. Hierbei werden die zur Absicherung
erforderlichen Optionen durch ein dynamisches (d.h. ständig anzupassendes)
Portfolio aus Aktien und Anleihen synthetisiert. Wie bei allen dynamischen Strategien
rückt dann jedoch das Problem der Transaktionskosten in den Vordergrund.
Ein weiteres Problem besteht darin, größere Portefeuilles
mit verschiedenen Aktien zu versichern. Hier empfiehlt es sich schon aus Kostengründen
zur Absicherung auf Indexoptionen zurückzugreifen. In diesem Fall muß
die Korrelation des Portefeuilles mit dem Index berücksichtigt werden.
Klaus Schindler
2001-02-14